Wohnungsnot?

Ein Artikel aus dem lesezeichen Sonderausgabe WS 11/12, der Zeitung des AStA der TU Darmstadt.

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Die in diesem Wintersemester einsetzende Wohnungsnot hat scheinbar alle überrascht. Während wir im AStA eine Horrormeldung nach der anderen verkündeten, beschränkte sich die Stadt Darmstadt darauf, zu behaupten, sie habe erst Wohnraum geschaffen und überhaupt, sie könne ja nichts tun. Das Studentenwerk Darmstadt beschäftigt sich seit einem Jahr mit dem Problem – ohne Perspektiven aufzeigen zu können.

Dabei ist die Wohnungsnot nichts Neues. Die Ursachen und die drohenden Effekte der Wohnungsknappheit sind dagegen schon seit Jahren bekannt. Schon vor zwei Jahren sind die ersten praktischen Probleme offenkundig geworden, damals konnten aber noch auf Initiative des AStA hin die bedürftigsten Studierenden mit Wohnungen versorgt werden.

Grundlage für die Wohnungsnot sind die steigenden Studierendenzahlen. Waren es im Wintersemester vor zwei Jahren an der TU Darmstadt noch etwa 21.079 eingeschriebene Studierende, steigerte sich die Zahl über 23.113 im letzten Jahr zum Rekordstand von 25.021 Studierenden dieses Wintersemester. Wesentliche Ursachen für den Anstieg sind die demographische Entwicklung, nach der die geburtenstarken Jahrgänge gerade mit dem Studium anfangen, die doppelten Abiturjahrgänge aufgrund der Verkürzung der Schulzeit (G8) in einigen Bundesländern (noch nicht Hessen) und der Wegfall der Wehrpflicht durch die Umstrukturierung des Militärs. Diese drei Faktoren trafen in diesem Semester aufeinander und sorgten bundesweit für Ausnahmezustände in den Hörsälen, aber auch auf dem Wohnungsmarkt.

Das Studierendenwerk hat für das aktuelle Semester berechnet, dass etwa 1000 Studierendenwohnungen in Darmstadt fehlen. Die Liste der neu geschaffenen Wohnungen hält sich dagegen in Grenzen. Lediglich 105 Wohnungen wurden durch die städtische bauverein AG hergerichtet, die mit astronomischen Preisen wie 413 € für ein Zimmer in einer 6er-WG an den Wohnungsmarkt gebracht wurden. Im privaten Wohnungsmarkt gab es zwar einen Aufruf der Stadt, neuen Wohnraum zu schaffen und Zimmer an Studierende unterzuvermieten, allerdings kam dadurch kaum Bewegung bzw. neue Wohnungen auf.

In Darmstadt leben aber nicht nur betuchte Studierende, gerade auch auf Geringverdienende und sozial Benachteiligte wirkt sich die Wohnungsnot dramatisch aus. Sie haben kaum die Möglichkeit, von ihren Eltern aus zu pendeln, wie es viele Studierende in der Notsituation machen. Knapper Wohnraum bedeutet steigende Mieten und damit die Verdrängung derer, die sich die gehobenen Mieten nicht leisten können. Dieses Phänomen wird als Gentrifizierung bezeichnet und ist besonders in Großstädten, aber auch in Darmstadt zu beobachten.

Abhilfe könnten da die leerstehenden, ehemaligen Kasernen der Amerikaner*innen schaffen. Alleine in den Gebäuden, die langfristig für Wohnraum vorgesehen sind, könnten kurz- bis mittelfristig bis zu 1000 Menschen unterkommen.

Die durch die Proteste im vergangenen Herbst erkämpfte, temporäre Nutzung der Kasernen ab dem nächsten Wintersemester bietet – ausgehend von den bisher diskutieren Möglichkeiten – im besten Fall 400 Wohnungen.

Das mag aus heutiger Sicht eine deutliche Entspannung sein, ein weiterer Blick auf die Entwicklung der Studierendenzahlen zeigt aber, dass sich die Situation so schnell nicht bessern wird. Die doppelten Abiturjahrgänge in Hessen stehen uns erst noch bevor: im kommenden Wintersemester 2012/13.

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